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Familienleben

Depressionen und wie sie sich auf Mitmenschen auswirken

Ich kenne Depressionen.

Ich GLAUBE, selbst immer wieder darunter gelitten zu haben. Das letzte Mal vor 20 Jahren. Das ging so weit, dass ich mehrmals, das erste Mal im zarten Alter von 9 Jahren, ernsthaft über Selbstmord nachgedacht habe. Nämlich wirklich. Ich habe mir das ganz genau überlegt, wie ich es anstelle, dass es auch klappt und ich nicht im Rollstuhl lande … Denn es wird nicht besser. Es, das Leben, hat so gar keinen Sinn …

Mit der Zeit habe ich aber gelernt, gewisse Dinge zu verdrängen — oder zumindest nicht zu zeigen, wie z.B. Traurigkeit, depressive Verstimmungen … und so wie ich aufgewachsen bin schon gar keine Depressionen. Ich erlaube mir nicht einmal mehr, diese Gefühle zuzulassen, selbst wenn ich ganz alleine bin. Die Worte „stell Dich nicht so an“ höre ich mittlerweile von mir selbst und nicht mehr nur von den (damals) „Erwachsenen“ …

Ob das so gescheit ist, weiß ich nicht. Denn wenn ich gefragt werde, wie es mir geht, kann ich oft keine Antwort geben, denn: ICH WEISS ES NICHT. Dafür funktioniere ich aber … meistens … irgendwie.

Ich kenne Depressionen.

In meinem allernächsten Umfeld habe ich einige Personen, die darunter leiden. Die einen such(t)en professionelle Hilfe, die anderen nicht. Die Anderen gehören meist der Generation vor mir an. In dieser Generation war das ein echtes Tabu-Thema. Ich bin überzeugt davon, dass das auch etwas mit der NS-Zeit zu tun hat, denn damals entledigte man sich solcher Personen, die nicht „funktionierten“ und den Vorstellungen des Regimes entsprachen (siehe z.B. dazu https://www.psychiatrie.de/psychiatriegeschichte/nationalsozialismus.html). Die daraus entstehende Angst vor Repressalien hat sich „weitervererbt“. Der Generation vor mir wurde immer noch anerzogen, über solche Dinge nicht zu sprechen, während andere chronische Krankheiten wie Krebs, Allergien, etc. bereits „gesellschaftsfähig“ wurden. In manchen Kreisen wird leider immer noch an die „Minderwertigkeit“ psychisch kranker Personen geglaubt.

Ich schweife ab … ich kann mich aber auch so aufregen über gewisse Zustände.

Zurück zu meinem Umfeld — und zu mir als Angehörige.

Als Angehörige habe ich erfahren, dass sich jede Depression genauso individuell gestaltet, wie der Mensch an sich individuell ist. Insoferne ist es wahnsinnig schwierig, wirklich zu helfen. Als Nicht-Profi eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Dessen bin ich mir bewusst. Als soziales Wesen hat man indessen stets den Impuls, Nahestehenden zu helfen. Im schlimmsten Fall führt das allerdings dazu, dass beide Personen, die helfen wollende und die betroffene Person, sich gleichermaßen unverstanden fühlen. Vor allem dann, wenn man sich sehr nahe steht. Der eine fühlt sich unverstanden und meint, der andere glaubt alles zu besser wissen, und der andere fühlt sich permanent zurückgestoßen, dabei möchte er nur helfen. Man kann sich gegenseitig schon ziemlich herunterziehen. Das beobachte ich bei mir nahestehenden Personen und erlebe ich auch selbst.

Ich kenne Depressionen.

Ich habe aber keine. Ich versuche, zuzuhören. Klappt nicht immer aus im vorigen Absatz erwähnten Gründen. Aber ich lerne (hoffentlich) dazu. Ich hatte eine Freundin, die unter schweren Depressionen (als Begleiterkrankung ihrer Borderline-Erkrankung) gelitten hat. Ich habe irgendwie nie versucht, ihr zu helfen. Ich spürte von Anfang an irgendwie in ihrem Fall, da bin ich machtlos. Eines Tages hat sie mir während eines Telefonates erzählt, sie hat für die unterschiedlichen Phasen in ihrem Leben jeweils ihre Freundinnen. Mich kontaktiert sie, wenn sie lachen will, nicht aber wenn sie über ihre Traurigkeit sprechen will. Im ersten Moment war ich irritiert, aber dann habe ich es als Kompliment aufgefasst. Und habe es jederzeit genossen, mit ihr zu blödeln — so hatten wir oft schöne Zeiten miteinander verbracht.

Das ist aber noch die einfachere Situation. Schwieriger wird es, wenn Depressionen im wirklich direkten, familiären Umfeld ein Thema sind. Manchmal muss man sich abgrenzen, auch räumlich, da kann es dann schon passieren, dass einem das sogar zum Vorwurf gemacht wird. Und an diesem Punkt frage ich mich, wie ich damit umgehen soll. Nicht nur einmal habe ich darüber nachgedacht, mir selbst professionelle Hilfe zu suchen, um zu lernen, damit umzugehen. Ich bin aber noch nicht so weit, denn auch mir hat man erfolgreich eingeredet, mit den Herausforderungen des Lebens selbst fertig werden zu müssen.

Aber vielleicht ist das auch wirklich nicht notwendig. Vielleicht reicht es wirklich, das „depressive“ Gegenüber einfach so zu nehmen, wie es ist, zuzuhören, und die diese Zeiten so zu genießen, wie sie sind — nämlich voller Vertrauen und daher schön!

Bist du Angehörige? Wie gehst du damit um?

Wir lesen uns,
Sandra


Sandra Fossalovara Autorenprofil

Sandra wuchs in Wien auf. Machte eine kreative Ausbilung und hat sich im Waldviertel niedergelassen, nachdem sie sich über beide Ohren verliebt hat … in ein prachtvolles Haus 😉

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